Lediglich allgemeinübliche Sichtweise
In seiner Hundertwasser-Haus-Entscheidung aus dem Jahr 2003 hat sich der BGH für eine enge Auslegung der Panoramafreiheit entschieden. Privilegiert, also erlaubnisfrei, sind danach
- Aufnahmen und Darstellungen, die die Sicht von der öffentlichen Straße oder dem öffentlichen Platz aus wiedergeben;
- nur der Blick von einem für das allgemeine Publikum zugänglichen Ort, also das, was von der öffentlichen Straße aus mit eigenen Augen zu sehen ist.
Explizit hält der BGH fest, dass die Luftaufnahme eines Gebäudes nicht unter die Panoramafreiheit fällt, schon weil es Teile des Gebäudes zeigt, die von dem Weg, der Straße oder dem Platz aus nicht zu sehen sind. Das gleiche gelte für ein (als Postkarte vertriebendes) Foto des Hundertwasser-Hauses, das aus einer Privatwohnung in einem oberen Stockwerk des gegenüberliegenden Gebäudes gefertigt worden war.
Bei diesem engen Verständnis der Panoramafreiheit wäre z.B. die Nutzung des oben abgebildeten Fotos zur Bebilderung dieser News zulässig. Das Foto zeigt den oberen Teil des Hundertwasser-Hauses, gefertigt vom Bürgersteig der gegenüberliegenden Straßenecke ohne Hilfsmittel, das Motiv wurde nicht herangezoomt.
Blick von unzugänglichem Ort? Einsatz von Hilfsmitteln?
In einem im November 2020 gefassten Urteil lehnt das Landgericht Frankfurt die BGH-Rechtsprechung ausdrücklich ab. Nach Ansicht des Instanzgerichts erstreckt sich die Panoramafreiheit auch auf
- Luftbildaufnahmen, z.B. Fotografien eines Bauwerks, die auf sozialen Netzwerken wie Facebook, Instagram und Twitter geteilt werden,
- den Einsatz von Hilfsmitteln wie z.B. Leitern, Dächern und Drohnen, Teleobjektiven.
Ob die im Wesentlichen mit einer europarechtskonformen Auslegung begründete Entscheidung allerdings vor dem BGH Bestand hätte, ist zweifelhaft. Noch 2017 hatte der BGH für den AIDA-Kussmund am Bug von Kreuzfahrtschiffen betont, dass die Verwendung besonderer Hilfmittel, wie einer Leiter, oder die Umgehung blickschützender Vorrichtungen, wie einer Hecke, nicht erfasst seien. Solche Ansichten des Werkes seien nicht Teil des von der Allgemeinheit wahrnehmbaren Straßenbildes.
Praxistipps
Wer vorsichtig ist, sollte sich trotz der abweichenden Entscheidung des Landgericht Frankfurt an die engeren Vorgaben des BGH halten. In jedem Fall gilt Folgendes:
Die Panoramafreiheit erstreckt sich stets nur auf die äußere Ansicht, so ausdrücklich für Bauwerke § 59 Abs.1 Satz 2 UrhG. Auch darf ein Sichtschutz, z.B. durch Hecken, Bäume, Wände oder Mauern, durch Hilfsmittel nicht umgangen werden. Ansonsten darf ein Werk, das sich bleibend, also dauerhaft bzw. für unbestimmte Zeit in der Öffentlichkeit befindet, auch gewerblich vervielfältigt oder öffentlich zugänglich gemacht werden, z.B. auf Prospekten und der Website einer Reiseagentur.
Aufnahmen auf privatem Grund, etwa Filmaufnahmen im Innenhof einer Restaurationswerkstatt, sind nie durch die Panoramafreiheit gerechtfertigt. Hier, wie auch bei (kommerziellen) Film- oder Fotoaufnahmen in Museen und Parkanlagen, bedarf es regelmäßig der Zustimmung des Eigentümers bzw. Vermieters. Vgl. insoweit die Artikel Fotografierverbote in Museen und Fotografieren und Filmen im Park.
Keine EU-einheitlichen Regelungen
Die Panoramafreiheit ist nicht EU-weit harmonisiert, vielmehr gelten in den einzelnen Mitgliedstaaten unterschiedliche Regelungen. So ist zwar die Nutzung von Fotos des Eiffelturms bei Tag gemeinfrei. Die verschiedenen Beleuchtungen des Turms, also Goldbeleuchtung, Blinklicht, Leuchtfeuer und Eventbeleuchtung, sind indes geschützt. Mangels vergleichbarer Panoramafreiheit in Frankreich unterliegt die Verwendung von Nachtaufnahmen des Eiffelturms daher der „Genehmigung“. Zuständig ist die Société d’Exploitation de la Tour Eiffel (SETE), Einzelheiten auf der Website der SETE.
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